Ethische und soziale Aspekte Integrierter Forschung

„Mit dem Projekt ESTER wollen wir die Reflexivität bei der Analyse und der Weiterentwicklung integrierter Forschung fördern.”

Inhalt

Motivation

Ziele

Vorgehen

Fragestellung

Arbeitsweise

Kollaborative Interventionen

Projektleitung

Projektpartner

 

 

In Technikentwicklungsprojekten soll eine prozessbegleitende Auseinandersetzung mit ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen stattfinden, so die Grundidee des BMBF-Förderkonzepts Integrierte Forschung. Zu diesem Zweck sollen Vertreter*innen aus Fächern wie Ethik, Recht und Sozialwissenschaft sowie Praxispartner*innen und Bürger*innen an Innovationsprozessen beteiligt werden. Dass es ein schwieriges Unterfangen ist, wenn Fachleute aus solch unterschiedlichen Wissens- und Lebensbereichen zusammenarbeiten sollen, scheint offensichtlich. Doch welche konkreten ethischen, rechtlichen und sozialen Fragen birgt dieser Forschungsmodus tatsächlich in sich? Im Rahmen des Projekts ESTER untersuchen wir genau diese Frage und erarbeiten praktische Vorschläge, wie diese Aspekte in die Weiterentwicklung des Konzeptes „Integrierte Forschung” einbezogen werden können. 

 

Motivation

 

Im Kern integrierter Forschung steckt die Forderung, den Fokus bei Technikentwicklungen auch auf soziale und ethische Aspekte zu lenken. Doch wie setzt man dies bei Projekten um? Während dadurch der ethische und soziale Einfluss auf neue Technologien gestärkt werden soll, erweist sich das Qualitätskriterium Integration für die Forschenden als vage und konfliktreich. ELSI-Partner*innen berichten auch von Rollenkonflikten und asymmetrischen Machtverhältnissen in Projektteams. Studien deuten auf Spannungen zwischen den Erfordernissen transdisziplinärer Forschung und bisherigen Förderstrukturen hin. Integration erweist sich als ein vages, konfliktreiches Qualitätskriterium, das Timing der Integration ist schwierig. Das Projekt ESTER des Clusters Integrierte Forschung zielt deshalb darauf, ethische und soziale Aspekte integrierter Forschung zu analysieren und bei der Weiterentwicklung und Stärkung des Konzepts systematisch einzubeziehen.

 

Ziele

 

Integrierte Forschung ist darauf ausgerichtet, mehr Reflexivität in Technikentwicklungsprojekte  zu bringen. Unser Ziel im Projekt ESTER ist es, die Reflexivität bei der Analyse und der Weiterentwicklung integrierter Forschung zu fördern. Das ist zum einen wichtig, weil das Förderkonzept Integrierte Forschung das Verhältnis von Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft mitgestaltet, die Handlungsräume von Forschenden strukturiert und transdisziplinärer Forschung neue Akzentuierungen und Bedeutungen verleiht.  Zum anderen sind die ethischen und sozialen Aspekte integrierter Forschung, die wir untersuchen, auch Gründe dafür, dass die Integration ethischer, rechtlicher und sozialer Aspekte in Technikentwicklungsprojekte bisher noch nicht optimal funktioniert.

Wir möchten dazu beitragen, das Förderkonzept integrierte Forschung zu einem Forschungskonzept weiterzuentwickeln, das ethischen und sozialen Herausforderungen des Forschungsmodus benennt und kollaborativ nach Handlungsspielräumen, Umgangsweisen und Alternativen sucht. Zudem wird die heterogene Community durch Vernetzung, Grundlagenreflexion und Praxisunterstützung gestärkt.

 

Vorgehen

 

Gemeinsam mit Vertretern relevanter Disziplinen, Praxispartnern aus anvisierten Anwendungsfeldern, Anwendenden und Fördergebern forscht ESTER als Teil des Clusters Integrierte Forschung im Vollzug kollaborativer Interventionen. Ein Ziel dieser Zusammenarbeit ist die Entwicklung und Erprobung eines Materialkoffers, der bei der Erstellung neuer integrierter Projektentwürfe angewendet werden soll. Ein Planspiel „Integrierte Forschung 2030” wird durchgeführt, in dem sowohl neue Projektideen als auch Kriterien zur Bewertung integrierter Projektanträge und Empfehlungen an die Fördergeber entstehen.

 

Fragestellung

 

Im Projekt ESTER halten wir der integrierten Forschung den Spiegel vor. Denn nicht nur bei der Entwicklung von Pflegerobotern gibt es ethische und soziale Aspekte zu bedenken. Auch bei dem neuen Forschungsmodus, den das Förderkonzept vorsieht, stellen sich z.B. die folgenden ethischen und sozialen Fragen:

  • Wie sind das Wissenschaftsverständnis und der Innovationsbegriff, die dem Förderkonzept zugrunde liegen, zu beurteilen?
  • Was kann, was soll das unklare, konfliktreiche Qualitätskriterium „Integration” in diesem Kontext bedeuten?
  • Entsprechen die Aushandlungsprozesse und Machtverhältnisse in den Technikentwicklungsteams den Grundsätzen transdisziplinärer Forschung?
  • Wie lässt sich mit dem schwierigen Timing der Integration umgehen?
  • Wie lässt sich trotz der befristeten Projektförderung nachhaltiger Kompetenzaufbau realisieren?

 

Arbeitsweisen

 

Die Projektarbeiten in ESTER sind auf drei Arbeitsebenen angelegt:

1. Wir untersuchen ethische und soziale Aspekte integrierter Forschung aus technik- und wissenschaftssoziologischer und ethisch-philosophischer Perspektive.

2. Auf Grundlage dieser Analysen entwickeln wir Konzepte und Arbeitsmaterialien zu ausgewählten Themen, die transdisziplinäre Teams bei der Umsetzung integrierter Forschung unterstützen.

3. Wir führen in enger Kooperation mit den Projekten futurehomestories und RechTech im Teilcluster 2  eine kollaborative Intervention durch.

 

Kollaborative Interventionen

 

In ESTER führen wir eine kollaborative Intervention zu der Frage durch, wie die Antragstellung von Technikentwicklungsprojekten integrativer gestaltet werden könnte.

 

Was ist das Problem?

Integrierte Forschung ist ein Förderformat des BMBF, das den Einbezug ethischer, rechtlicher und sozialer Aspekte in Technikentwicklungsprozesse verbessern soll. Die Technikentwicklungen werden in Form von Projekten realisiert. Diese beginnen immer mit einem Projektantrag, in dem die Antragsteller*innen die Grundidee ihres Projekts skizzieren. Eine solche Grundidee wäre z.B., ein VR-Brille für ältere Menschen zu entwickeln oder ein Exoskelett für die physiotherapeutische Rehabilitation.  

Die Grundideen von Technikentwicklungsprojekten sind sehr voraussetzungsreich. Um plausibel zu begründen, was für wen entwickelt werden soll, braucht es eine Problemwahrnehmung und Zielvorstellungen. Es wird definiert, was am Stand der gesellschaftlichen und der technischen Praxis problematisch ist und wie es besser laufen sollte. Die Grundidee ist sehr folgenreich für die Ausgestaltung des Projekts. So ist sie beispielsweise für die Auswahl der Kooperationspartner*innen, den Zuschnitt der Arbeitsplanung und der Ergebnisse entscheidend.

Aufgrund der knappen Ökonomie der Antragsphase wird die Grundidee eines Projektes meistens nicht mit allen später Beteiligten transdisziplinär entworfen und ausgehandelt, sondern von den leitenden Beteiligten definiert. Die Integration ethischer, rechtlicher und sozialer Perspektiven beginnt in der Regel erst mit der Projektlaufzeit. Dann lässt sich die Grundidee aber nicht mehr in Frage stellen. 

Aus der Forschung über Transdisziplinarität ist allerdings bekannt, dass die gemeinsame Problemfindung und Zieldefinition konstitutiv für ihr Gelingen sind. Nimmt man integrierte Forschung beim Wort, müsste also auch schon die Antragsphase integrativer gestaltet sein als bisher. Deshalb möchten wir an dieser Stelle, ganz früh im Prozess der Technikentwicklung, einschreiten. 

 

Warum eine kollaborative Intervention?

Wir experimentieren in Teilcluster 2 mit Ansätzen der kollaborativen Forschung und Interventionsforschung. Denn viele Herausforderungen inter- und transdisziplinärer Forschung sind bereits bekannt und es liegen auch erste entsprechende Handlungsempfehlungen vor. Das Wissen um die Schwierigkeiten allein scheint jedoch nicht auszureichen, um konkrete Veränderungen anzustoßen. Neue Ansätze für wirksame Transformationen sind gefragt.

Integrierte Forschung wird in Teilcluster 2 deshalb nicht am Schreibtisch und aus einzelnen Disziplinen heraus, sondern im Vollzug kollaborativer Interventionen erforscht, weiterentwickelt und gestärkt. Kollaborativ meint dabei, dass wir nicht über Projektteams forschen, sondern gemeinsam mit den Beteiligten an geteilten Problemen arbeiten. Die Intervention zielt darauf, experimentell die Praxis zu verändern, dabei auch die (Selbst-)Reflexion aller Beteiligten zu stärken und ihre Handlungsmöglichkeiten zu erweitern.

 

Was haben wir konkret vor?

Gemeinsam mit Menschen, die in solchen Projekten arbeiten, stellen wir eine Antragsstellung nach. In der Intervention setzen wir einen Dreischritt ein. Wir starten mit einer transdisziplinären Problemanalyse, um den Gegenstand unseres Projektes zu konturieren. Im zweiten Schritt erkunden wir Handlungsspielräume aus den unterschiedlichen Perspektiven und versuchen diese so zusammenzubringen, dass neue Lösungsideen generiert werden.

Diese werden wir in einem dritten Schritt so aufarbeiten, dass sie in einem realen Projekt erprobt werden können. ESTER begleitet diese Schritte, leitet an und stellt gleichzeitig den notwendigen offenen Rahmen zur Verfügung, der eine partizipative Weiterentwicklung des kollaborativen Vorgehens ermöglicht. Zudem analysieren wir die kollaborativen Prozesse bei der Intervention, um so zu neuen Erkenntnissen über integrierte Forschung zu kommen.

 

Projektvideo

 

 

 

Projektleitung

 

Dr. Mone Spindler

Logo Universität Tübingen

 

 

Team 

Céline Gressel

Jacqueline Bellon

 

Projektpartner

 

Michaela Shields, Wissenschaftsladen Bonn e.V. 

Prof. Dr. Erik Fisher, School for the future of innovation in society, Arizona State University, USA 

Dr. Sibylle Studer, Theres Paulsen, td-net, Network for Transdisciplinary Research, Akademien der Wissenschaften Schweiz 

 

Link zum Projektsteckbrief des BMBF