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„Was bedeutet Souveränität im Umgang mit einer Technik, die unsere Selbstentfaltung und Vergemeinschaftung grundlegend verändert?”

SoDiLe - Souveränität in Digitalisierten Lebenswelten

 

Inhalt

Motivation

Ziele und Vorgehen

Konkretisierung des Projekts

Projektleitung

 

 

Motivation

Die Digitalisierung nimmt in allen Lebensbereichen kontinuierlich zu. Angesichts dieser Entwicklung ist es für den Menschen wichtig, einen kompetenten und souveränen Umgang mit digitaler Technik zu erlernen. Aber was bedeutet „Souveränität“ im Umgang mit einer Technik, die unsere Selbstentfaltung und Vergemeinschaftung sowie unsere Vorstellung vom Menschen grundlegend verändert? Diese Frage kann nicht von einer Disziplin allein, sondern nur im transdisziplinären Austausch multiperspektivisch bearbeitet werden.

 

Ziele und Vorgehen

Das Projekt SoDiLe widmet sich dieser Fragestellung aus bildungstheoretisch-anthropologischer und rechtswissenschaftlicher Perspektive und entwickelt Konzepte, die ein tieferes Verstehen von Vorstellungen einer digitalen Souveränität ermöglichen sollen. Dabei nutzt das Projekt die hochschuldidaktischen Perspektiven und Dynamiken der beteiligten Partnerhochschulen sowie empirische Forschungen unter „Digital Natives“, um einen konsequent an Transdisziplinarität und digitalen Lebenswelten orientierten Forschungszugang zu entwickeln.

Exemplarisch wurden die bisherigen Forschungseindrücke zur Souveränität in digitalisierten Lebenswelten in transdisziplinäre Lehr-Lernformate im Schnittfeld von Anwendung und forschendem Lernen transferiert. In unterschiedlichen Gruppen konnten Studierende aus Bielefeld und Marburg hierzu grundlegende Fragestellungen des Projektes SoDiLe bearbeiten, Perspektiven wechseln und eigene blinde Flecken identifizieren. Die dabei gewonnenen Impulse, neuen Perspektiven und kritischen Rückmeldungen zum Selbstkonzept der „Digital Natives“ fließen nun in die weitere Arbeit des Gesamtkonsortiums ein und modifizieren die bisherigen Forschungsfragen im Sinne einer entdeckenden Forschungsstrategie, die sich stets neu durch Begegnungen im Feld justiert. Schließlich werden weitere Partner außerhalb der Forschungsgemeinschaft im Sinne einer experimentellen Strategie von Wissenschaftskommunikation eingebunden.

 

Konkretisierung des Projekts

1. „Digitale Souveränität“ in anthropologischer und bildungstheoretischer Perspektive (Dissertationsprojekt) - Empirisch-qualitative Studie zu „Herstellungsprozessen des Selbst von Jugendlichen an Gesamtschulen in Hessen in digitalen Lebenswelten.“ Bausteine zu einer digital-informierten Religionspädagogik.

In dieser qualitativ-empirischen Studie werden Gruppendiskussionen mit Hilfe der Dokumentarischen Methode analysiert. Der Fokus liegt auf der Rekonstruktion von kollektiven Herstellungsprozessen des Selbst bei Jugendlichen an Gesamtschulen in einer digitalen Lebenswelt. Es zeigt sich, dass digitale Technologien genuin zum Erfahrungsraum Jugendlicher dazugehören, während die Schule und deren Handlungspraxis für die Jugendlichen von digitaler Technik und digitalen Handlungspraxen abgeschnitten erscheinen. Das verwundert umso mehr, da gerade Schülerorientierung und damit einhergehend die Lebenswelt der Schüler:innen als grundlegende Voraussetzung gelingender Unterrichtspraxis gilt. Digitale Souveränität beginnt folglich in der sensiblen Wahrnehmung der veränderten Lebenswelt der Jugendlichen und ihrem Umgang mit digitaler Technik und Technologie. Die Studie liefert erste qualitativ-empirische Einblicke und entwickelt erste Bausteine für eine digital-informierte (Religions-)Pädagogik entgegen einer dort weit verbreiteten „(digitalen) Technikvergessenheit“.

 

2. Digitale Souveränität aus rechtlicher Perspektive - Qualifikationsarbeit im Zeitraum 04.21-04.24 - Digitale Souveränität als Kernkompetenz für die Zukunft der Demokratie 

Digitale Souveränität pflegt ein enges Verhältnis zur Demokratie. Ein Trend der jüngsten Vergangenheit zeigt, dass das Wissen zunehmend im digitalen Raum erworben oder weitergegeben wird. Dies führt dazu, dass politische Institutionen im digitalen Raum, insbesondere auf Social-Media-Kanälen aktiv werden, weil es so in jeder Hinsicht einfacher ist, (potenzielle) Wähler zu erreichen. Weil das Erreichen der Bürger und das Teilen von Inhalten nicht wie in früheren Zeiten über das Fernsehen, Journalisten oder Berichterstatter, sondern auf direktem Wege erfolgt, besteht die Gefahr, dass die Inhalte ohne journalistische Prüfung vermittelt werden. So kommt der Inhalt ohne jene kritische Auseinandersetzung direkt beim Empfänger an. Selbst wenn man dies nicht als problematisch sieht, wird dies aber dann zum Problem, wenn der Absender eines Inhaltes falsche Informationen verbreitet.

Vergegenwärtigt sich man, dass soziale Medien kommerzielle Unternehmen sind und bei diesen nicht die Exklusivität oder gar inhaltliche Richtigkeit im Vordergrund steht, sondern vielmehr der monetäre Vorteil, der gerade dadurch generiert wird, indem dem Nutzer mittels Algorithmen Inhalte vorgeschlagen werden, ist nicht auszuschließen, dass sich so falsche Informationen oder sog. Fake-News einfacher verbreiten lassen. Es existieren immer mehr Anbieter, die z. B. Bilder herstellen, welche durch KI generiert werden. Hierzu muss man nur mit einigen Stichworten beschreiben, wie das Bild aussehen soll. So entsteht die Möglichkeit, Bilder zu generieren, die einerseits nicht der Wahrheit entsprechen und andererseits inhaltlich Aufmerksamkeit erregen können und so einfach dazu verwendet werden, um zu manipulieren.

Mit der Verbreitung der Digitalisierung und der steigenden Nutzung des Internets wird die öffentliche Meinung auf digitale Plattformen bzw. soziale Medien verlagert. Insofern findet der politische Austausch auf Plattformen statt, die einerseits nicht dafür gedacht und andererseits nicht für so etwas geeignet sind. Die manipulativen Inhalte haben einen erheblichen Einfluss auf den politischen Willensbildungsprozess mit der Folge, dass die Staatsgewalt, die nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG vom Volke ausgeht, einem politischen Kurs nachgeht, der der freiheitlich-demokratischen Grundordnung widerspricht oder diese abschaffen möchte. Beispiele wie in Ungarn oder den Niederlanden machen deutlich, dass dies auch in etablierten Demokratien möglich ist, mit den Mitteln der Demokratie diese Tendenzen auszubauen. Aus diesem Grund ist wichtig, zu erforschen, ob die digitale Souveränität, die kurzgefasst als digitale Versiertheit oder Mündigkeit definiert werden kann, als eine Kernkompetenz für die Zukunft der Demokratie angesehen werden kann.

 

3. Interdisziplinäre Seminare zwischen der Hochschule Bielefeld und der Philipps-Universität Marburg

Interdisziplinäre Perspektive Digitaler Souveränität (SoSe 2022) 

Digitale Souveränität im Horizont differenter Modi der Weltbedeutung (SoSe 2023)

 

4. Workshops

Interdisziplinärer Workshop zum Thema: „Zukünfte des Menschen“ mit Prof Dr. Krüger, Prof. Dr. Marcell Saß und Julia Marburger u.w. (21.06.2021) 

BMBF Stopp im Cluster Integrierte Forschung „Miteinander durch Innovation“. 

Workshop: „Die neuen Däumlinge: bewegt – vernetzt – engagiert – Exemplarisch aufgezeigt an der Klimabewegung Friday for Future“. (03.11.2021) 

Fachkongress Digitale Innovationen für eine nachhaltige Entwicklung − Impulse der Fachhochschule Bielefeld für Wirtschaft und Gesellschaft: Vortrag zum Thema „Digitale Kompetenzen und Souveränität“ mit Prof. Dr. Axel Benning und Prof. Dr. Marcell Saß (18.11.2021) 

Workshop im Rahmen des Marburg Moduls, einem interdisziplinären Modul zum Forschenden Lernen für Studierende zum Thema „Souveränität in digitalisierten Lebenswelten“ mit Prof. Dr. Marcell Saß und Projektmitarbeiterin Julia Marburger (30.11.2021) 

Vortrag „Digital Natives an der Grenze zwischen Souveränität und Abhängigkeit.“ Erste empirische Einblicke zu der Studie „Herstellungsprozesse von Jugendlichen an Gesamtschulen in Hessen“ im Rahmen des Doktorandentreffens in Villigst mit Mag. theol. Julia Marburger

 

5. Veröffentlichungen

Saß, Marcell, „… wo nie ein Mensch zuvor gewesen ist.“ Praktische Theologie im Zeitalter der Digitalisierung, in: Endlich unendlich, hrsg. von Peter J. Winzen und Maike Schult, Stuttgart 2022.

Saß, Marcell, Liturgie(n) im Digitalen Zeitalter, in: Mediatisierung religiöser Kultur. Praktisch-theologische Standortbestimmungen im interdisziplinären Kontext, hrsg. von Ilona Nord / Kristin Merle (Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie 58), Leipzig 2022.

Saß, Marcell/ Benning, Axel, „Digitale Souveränität: (k)eine Frage des Alters? Raus aus der Gutenberg-Galaxie“ in: Fachzeitschrift IM + io, 2021.

Saß, Marcell, Posthumanistische Zukünfte und die Neuvermessung des Menschen, in: Loccumer Pelikan. Religionspädagogisches Magazin für Schule und Gemeinde des Religionspädagogischen Instituts Loccum, Ausgabe 3/2022, 19-23

Saß, Marcell, „Sentient Beings“? in: >>dann nutzen wir sie auch: Digitalisierung first – Bedenken second<<!? Jugendtheologie und Digitalisierung, hrsg. von Thomas Schlag und Jasmine Suhner, Jugend – Theologie – Digitalität, Jahrbuch für Kinder-und Jugendtheologie Band 6, Stuttgart 2023, 27-34.

Saß, Marcell, Digitale Dinge? Eine praktisch-theologische Spurensuche, in: Dinge zum Sprechen bringen: Performanz der Materialität, hrsg. von Martina Kumlehn et. al., Berlin 2022, 293 - 302.

Saß, Marcell, „Querschnittsthemen“? Große gesellschaftliche Herausforderungen in der (Religions-)Lehrkräftebildung, erscheint in Religionspädagogische Beiträge 2014 (H.1).

 

SoDiLe wird im Rahmen des Gesamtprojekts „Integrierte Forschung“ Schlussergebnisse publizieren, in der Forschungsergebnisse im Fokus stehen sowie deren Beitrag zu integrierter Forschung.

Offen blieb jedoch bislang im Projekt, wie die Ergebnisse in Integrierter Forschung auch im Kontext von Hochschuldidaktik und Fortbildungen frühzeitig und sinnvoll eingesetzt werden können. Hier bedarf es – neben der Erweiterung der Idee „Integrierte Forschung“ um eine bildungstheoretische Facette – auch einer Rezeption etwa der Empfehlungen der KMK-Konferenz zu Lehren und Lernen mit digitalen Medien.[1] Die Evaluation der beiden pilotierten Seminare zwischen der HS Bielefeld und der Philipps-Universität Marburg zeigt ein Desiderat an: Fachlich tiefgründig und disziplinüberschreitend zu reflektieren, wie wir als Gesellschaft in Zukunft zusammenleben wollen. Studierende wie auch Menschen in Fortbildungskontexten aus Industrie, Wirtschaft und Schule sollen daher vertieft mit Integrierter Forschung und integrierten Lehrformaten vertraut gemacht werden.

Lehrende und FortbildnerInnen brauchen dafür eine theoriebewusste und methodisch anregende Unterstützung: 

Ein Arbeitsbuch „Teaching to Transgress“ (auch als Open Access) soll beide Gruppen befähigen, große gesellschaftliche Herausforderungen im Kontext von Technik-Entwicklung, Mensch-Technik-Interaktion und Digitalisierung in vielfältigen Settings kollaborativ zu erschließen. Hier werden auch Erfahrungen aus Fortbildungen im Kontext des VDE Südwest sowie der Lehrkräftefortbildung aus Marburg einfließen.

Das Arbeitsbuch muss zunächst eine grundlegende Einführung in den Zusammenhang von integrierter Forschung, transgressiver Lehre und Professionalisierungsprozessen bieten. Teaching to Transgress wird dann als hochschuldidaktisches Modell für integrierte Lehre entfaltet. Im nächsten Schritt werden Strategien präsentiert, um große gesellschaftliche Herausforderungen im Entwicklungsprozess kollaborativer Lehre neu zu entdecken, zu verstehen und zu gestalten. Insbesondere werden Interaktionsformen mit Maschinen, wie Robotern oder aber auch künstlicher Intelligenz im Vordergrund stehen, also nicht die Technikentwicklung selbst. Grund hierfür ist, dass eine Maschine bzw. künstliche Intelligenz ihre positiven Wirkungen nur dann entfalten kann, wenn die Kommunikation mit ihr problemlos möglich ist. Hierdurch wird auch die gesellschaftliche Akzeptanz von derartigen Technikentwicklungen verbessert. Die Interaktion mit der Technik bestimmt damit auch, wie das Zusammenleben unserer Gesellschaft in Zukunft gestaltet wird. Das Buch wird dazu beitragen, dass Forschende und auch Technikentwickler ihr eigenes Handeln hinterfragen und reflektieren, mit welchen Werten Innovationen zu gestalten sind. 

Durch ein Arbeitsbuch zur integrierten Lehre bauen wir eine Brücke zwischen der technologischen Entwicklung und Grundfragen gesellschaftlichen Zusammenhaltes, auch im Sinne von Chancengerechtigkeit. 

Das BMBF fördert diese Erweiterung von SoDile im Zeitraum von 04/2024-09/2024

[1] https://www.kmk.org/aktuelles/artikelansicht/strategie-bildung-in-der-digitalen-welt.html (abgerufen am 10.09.2023).

 

Projektleitung

 

Prof. Dr. jur. Axel Benning

Hochschule Bielefeld, Fachbereich Wirtschaft, Lehrgebiet Wirtschafts- und Arbeitsrecht

 

Prof. Dr. Marcell Sass

Philipps-Universität Marburg, Evangelische Theologie

Logo der Philipps-Universität Marburg

 

Team

Julia Marburger

Abdulmuttalib Erduran

Ass. jur. Silke Schulz-Pabst

Zur Vernetzung mit den beiden weiteren Projekten im Teilcluster "Digitalisierte Lebenswelten" lesen Sie bitte HIER weiter.